Naturschutzfachliche Analyse einer neuen Erdkabel-Verlegetechnologie

Im Zuge des geplanten Übertragungsnetzausbaus werden in Deutschland mehrere tausend Kilometer HGÜ-Erdkabel verlegt werden. Die Herrenknecht AG hat speziell für die Verlegung von Höchstspannungs-Erdkabeln ein neues Rohrvortriebsverfahren E-Power Pipe entwickelt. Die Technologie soll es ermöglichen, ein 25 cm Kunststoffrohr auf 1 - 1,3 km Länge (üblicher Muffenabstand) in gleichmäßiger Tiefe und in einem vollständig geschlossenen Verfahren zu verlegen, so dass anschließend ein Höchstspannungskabel eingezogen werden kann. 

Die Vorteile eines Horizontalbohrverfahrens, welches als ein Standardlegeverfahren auf die extrem umfangreichen Baumaßnahmen der offenen Verlegung verzichten kann, könnten sich zugleich auch hinsichtlich einer Verminderung bzw. Vermeidung der zumeist sehr umfangreichen naturschutzrechtlichen Eingriffe einer offenen Baugrube auswirken. Es ist daher im Interesse des Naturschutzes, die Stärken und Schwächen der E-Power Pipe Technologie frühzeitig näher einzuschätzen. 

Das Bundesamt für Naturschutz hat unter den oben genannten Gesichtspunkten Mitte 2017 die OECOS GmbH beauftragt, eine Expertise zu den naturschutzbezogenen Aspekten der eingangs vorgestellten Technologie auszuarbeiten und unter Berücksichtigung grundsätzlicher Anforderungen des Naturschutzes zur Erdkabeltechnologie erste Hinweise und Empfehlungen zu deren Weiterentwicklung unter Naturschutzgesichtspunkten zu geben. Grundlagen der Expertise sind einerseits Vor-Ort-Begehungen einer Probenbaustelle und andersseits fünf Fachinterviews, die mit dem Hersteller, mit Baufirmen und mit Netzbetreibern geführt wurden. 

Die erwarteten naturschutzfachlichen Vorteile ließen sich zwar grundsätzlich bestätigen, daneben sind mit der EPP Technologie allerdings auch spezifische naturschutzrechtliche Eingriffe verbunden. Hierbei sind vor allem umfangreiche Bodenbewegungen für die Start- und Zielgruben zu nennen. Damit ist eine Wasserhaltung erforderlich und eine flächige Versiegelung durch die Bodenplatte. Aufgrund der vergleichsweise weiten Biegeradien des Systems sind tief ausgehobene Start- und Zielgruben bei dieser Technik unvermeidlich, sodass sie sich sowohl aus naturschutzfachlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht nur für sehr lange Trassenabschnitte eignet. Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der E-Power Pipe Technologie muss darüber hinaus, z. B. zur Bergung von größeren Steinen, das Risiko einer unvorhergesehenen Aufgrabung in dem zu unterbohrenden Gelände in Kauf genommen werden. Eine abschließende Einschätzung der Eignung für unterschiedliche Böden wird erst nach weiteren Erprobungen möglich sein. Ansatzpunkte einer Risikominimierung könnten optimierte Baugrunduntersuchungen sein, ggf. auch konstruktive Optimierungen des Bohrkopfes. 

Zusammenfassend erscheint die EPP Technologie als ein mittelfristig voraussichtlich wirtschaftlich einsetzbares Horizontalbohrverfahren, das auf die eingriffsintensiven und umfangreichen Baumaßnahmen der offenen Verlegung auf langen Streckenabschnitten verzichten kann, gleichzeitig aber auch die Restriktionen herkömmlicher Bohrverfahren, z. B. die Ausblasungsrisiken bei HDD-Bohrungen, überwindet. Dies zumindest ist ein reizvolles Entwicklungsziel, welches aus naturschutzfachlicher Perspektive die volle Unterstützung verdient. Es empfiehlt sich, die E-Power Pipe Technologie als eine „Kann-Alternative“ bei der Verlegung von Erdkabeln ins Gespräch ins Gespräch zu bringen und ihre weitere Entwicklung zu unterstützen. Dies könnte dazu beitragen, das heute noch unzureichende Anwendungswissen zu mehren, sodass diese Technologie einen Stand der Technik erreicht, der sie als Verlegealternative für die zukünftigen HGÜ-Großvorhaben qualifiziert.